Pittler, seine Erfindungen und die heutige Nutzung der Halle Heinrich in Leipzig

Die industrielle Revolution


Wie haben es Pittlers Erfindungen geschafft, so wichtig für dieweltweite Industrialisierungzu werden? Eine wichtige Frage stellt sich zudem: Schafftenes Pittlers damalige Ideen eine komplette Stadt oder gar ganz Deutschland umzukrempeln? Was wurde aus dem damaligen Werksgelände in Leipzig-Wahren wie zum Beispiel der Halle Heinrich? Die aufbrechende industrielle Revolutionging im Jahre 1690 ja hauptsächlich von England aus. Erfindungen,wie die der Dampfmaschine und der Wechsel vom Handwerkswesen zur Dampf-und kohlegetriebenen Industrieproduktion ließen auch in Leipzig eine vielseitigeIndustrie entstehen.


Ich wurde bereits 2019 durch meinen Vater zu diesem Thema der Facharbeit inspiriert, da er zu diesem Zeitpunkt die Idee hatte,  aus einem Lagerraum in der

Halle Heinrich ein lebendiges Museum zu errichten. Den ganzen Entstehungsprozess habe ich miterlebt und war auf vielen Veranstaltungen die

bereitsstattfanden dabei. Ich möchte in meiner Facharbeit hauptsächlichüber Pittlers Leben und seine patentierten Werke, deren Fortgang und die Nutzung

der Halle Heinrich berichten. DieIndustrie selbst wurde im 19. Jahrhundert schlagartig Hauptarbeitgeber. Es entstanden neue Berufe und neue Produkte. Maschinenbauwerke und Werke der Musikinstrumenten- und Musikautomatenhersteller und des frühen Automobilbau, sowie Rundfunk- und Messinstrumentenbaus und Kohlechemieprägtendie Struktur der Stadt. Innerhalb von wenigen Jahren wechselte Leipzig von einer aus Fachwerkhäusern, Bürger- und Handelsstadt, wo sonst Gasthöfe, Kneipen und Gaststätten das Straßenbild prägten, zu einer industriellgeprägten Großstadt.


Das heutige Leipziger Stadtbild ist beeinflusst durch das Industriezeitalter. Man bezeichnete 1894 das Aussehen Leipzigs, als ästhetische Entgleisung, welche man besser schnell wieder abreißen sollte,  was im Kontext zur tatsächlichen Stadtentwicklung stand. Eine Entwicklung,  die sich nicht aufhalten ließ. Sie ergriff Wirtschaft und Gesellschaft. Das Land Sachsen spielte zu dieser Zeit eine Art  Vorreiterrolle, denn es war eines der ersten industrialisierten Gebiete Deutschlands. Der 1301 gegründete Rat der Stadt Leipzig stand dieser neuen, industriellen Entwicklung in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts zunächst skeptisch gegenüber, da befürchtet wurde, dass die Lebensqualität der Bürger durch den lauten und Unrat verbreitenden Betrieb von Fabriken beeinträchtigt werden könnte. Deshalb sollten sich die ersten Unternehmen nicht innerhalb der Stadtgrenze ansiedeln, was sie dann vorwiegend in Reudnitz,Plagwitz, Lindenau, Wahren taten.

Leben,Ausbildung und erste Anstellungen


Julius Wilhelm von Pittler wurde am 21. Juni 1854 in Kirschitten/Polen geboren. Er hatte fünf Geschwister, von denen aber nur sein 1856 geborener Bruder

August überlebte. Wilhelm war noch keine sieben Jahre alt, als sein Vater, welcher Oberjäger bei Baron von Tettau auf Gut Tolks war, starb. Seine

Kindheit war reich an Mühen, er musste viel entbehren. Sein Stiefvater hatte nach der Heirat mit Pittlers Mutter wenig Interesse an den Brüdern.

Die Affinität für technische Dinge wuchs im jungen Pittler heran. Er fertigte kleine Wassermühlen und technisches Spielzeug. Nach seiner Konfirmation

1868 nahm sich der Gutsherr von Tolks der beiden Brüder an und sorgte für ihre Ausbildung. August von Pittler kam zu einem Schneider und sein Bruder

Wilhelm begann eine Lehre als Gärtner. Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, als sich das deutsche Reich im Aufschwung seines industriellen Lebens befand, zog es auch Wilhelm von Pittler vom Landin die Stadt.


Als Zwanzigjähriger ging er nach Elbing, heute Elblag/Polen, wo er als Kunstgärtner weiter ausgebildet wurde. Jahre darauf zog es ihn weiter, mit einem

Arbeitskollegen begab er sich nach Hamburg. Beide fanden als Gärtner Anstellung. Pittler hatte sich inzwischen zusätzlich im Freihandzeichnen

ausgebildet und fand viel mehr Gefallen daran, als an der Gartenarbeit. Der Zweiundzwanzigjährige wechselte 1876 von Hamburg nach Leipzig. Er fand

eine Stelle in der Fahnen fabrik von Hütel, Schuhmachergässchen 1, wo er Stickmuster, Ornamente, Blumen, Girlanden und Monogramme zeichnete, die

man für das Sticken von Vereinsfahnen und Tischdecken benötigte. Ihn reizten die technischen Dinge, als er auf der Arbeit die Kurbelstick, damals

Tamburiermaschine genannt, kennenlernte. Sie ist eine Form der Nähmaschine, welche zum Verzieren von Stoffen mit Figuren mit buntem

Seidengarndient. Er konnte genauso schnell und gut mit der Maschine sticken, wie geübtere Stickerinnen mit der Hand.


Julius Wilhelm von Pittler entschloss sich, selbstständig mit seinen Erfindungen Geld zu verdienen. Pittler wohnte und arbeitete von da an in „QuandtsHof“,

zwischen Nikolai- und Ritterstraße und hatte bald so viel zu tun, dass er sich immer mehr Stickmaschinen zulegen und Hilfskräfte anstellen musste. Seine

erste Erfindung war eine Verbesserung an der Stickmaschine, welche er in größeren Nähmaschinenhandlungen und Reparaturwerkstätten auch ausstellte.

Theodor Hütel erkannte den Nutzen der Erfindung und hatte nichts Besseres zu tun, als umgehend auf seinen eigenen Namen ein Patent anzumelden. Die

Enttäuschung des jungen Erfinders war groß.  Künftig meldete er seine Ideen erst zum Patent an, ehe er mit ihnen an die Öffentlichkeit ging.

Technische Arbeit, Erfindungen und Heirat


Oft bat man Pittler um Rat und Tat. So erhielt er 1878 den Auftrag, eine Tüten -, Falz und Klebemaschine zu ändern und realisierbar zu machen. Diese brachte

er in kurzer Zeit so gut in Gang, dass sie noch im selben Jahr auf der Gewerbe und Industrie Ausstellung in Altona mit Erfolg ausgestellt werden konnte. Trotz

seiner oft sprunghaften Beschäftigungen mit sämtlichen technischen Problemen blieb Pittler auf dem Boden der Realität. Er blieb bescheiden und sparsam,

obwohler wohlhabend wurde.


Seine Lebensmittel kaufte er in einem nahegelegenen Feinkostladen, in dem er die Leipzigerin Martha Albrecht traf, welche er 1879 heiratete. Der Ehe

entstammten sechs Kinder. 1880 begann ein neues Kapitel für Pittler in seiner technischen Arbeit. Die Fahrt des französischen Dampfwagens von Bollée

inspirierte Pittler, sich am Bau eines selbstfahrenden Omnibusses zubeteiligen. Als Antrieb benutzte er seinen im Juli 1880 zum Patent

angemeldeten Dampfmotor mit Einspritzkessel. Bei den Probefahrten sprang Pittler oft ab, um nachzuschauen, ob die Übertragung vom Motor zur

Hinterachsegut arbeitete, die Geschwindigkeit des Wagens betrug maximal 18 km/h. Das größte Hindernis für die Weiterentwicklung seines Motoromnibusses

war das ziemlich schlechte Pflaster der Leipziger Straßen. Es litt unter den schweren Eisenreifen des Motoromnibusses, sodass die Polizei weitere Fahrten

verbot.


Pittler befasste sich fortan mit anderen Dingen wie dem auswechselbaren Kohlefadender elektrischen Glühbirne. Außerdem entwickelte er ein Verfahren

für den Druck großer Plakate mittels präparierter Zinkplatten an Stelle der bisher benutzten Steinplatten. Pittler konstruierte zudem ein Feuerzeug,

verbesserte eine Fadenheftmaschine für die Buchbinderei und versuchte sich am Bau eines Klaviers, welches allerdings nicht richtig funktionierte. Er kehrte

jedoch immer wieder zur Näh- und Stickmaschine zurück und meldete einige Patentedafür an, so auch 1885 für eine neue Vorrichtung zum Sticken und

1886 für eine Parallelführung des Stickrahmens an Nähmaschinen. Die Verwendungder Patente im Ausland brachten ihm viele Einnahmen, sodass er

sich 1886 mit seiner Frau und seinen ersten Kindern eine Villa in Gohlis leisten konnte.Durch seine Reisefreudigkeit knüpfte Pittler überall Kontakte.

Erweiterungund Umzug


Zwischenzeitlich hatte Pittler eine kleine Metallbearbeitungsmaschine, eine Art Drehbank, konstruiert, worauf durch das Anbringen von Nebenvorrichtungen

zudem gebohrt, gefräst und gefeilt werden konnte. Die Drehbank war auf einen Holztisch geschraubt und wog nur 20 kg.  Durch den Verkauf seiner Patente in

Belgien, Frankreich und England war Pittler in der Lage, die Fabrikation der Stick-und Nähmaschine und der neuen Drehbank in einem viel größerem

Maße durchzuführen. Er kaufte das Fabrikgebäude der ‚EhrlicherMusikwerke‘ in der Möckernschen Straße 6 in Gohlis. Der Umzug aus der alten Werkstatt in

der Böttcherstraße 10 erfolgte im Herbst 1889. Im Quergebäude lag eine Schmiede und die Tischlerei sowie die Wohnung und der Pferdestall des

Kutschers.


Die Pittler’sche Metallbearbeitungsmaschine wurde mit mehreren Modellen weitergeführt. 1893 entwarf man sogar eine Pittler-Fräsmaschine in vertikaler

Ausführung, die als universale Vertikalfräsmaschine Verwendung finden sollte und als Patent angemeldet wurde. In der Patentschrift von 1893 ist ersichtlich,

das, von der bekannten pneumatischen Wange der Pittler-Drehbank abgesehen wurde und die Maschine als eigene Revolverdrehbank, ohne durchgehendes

Bett auch zum Bearbeiten von Werkstücken von größerem Durchmesser vorgesehen wird. Die Maschinen mit der prismatischen Wange kaufte der

Fahrradfabrikant Hans Sachs aus Schweinfurt, der damals mit der Fabrikation von Freilaufnaben für Fahrräder anfing. In Verbindung mit Sachs entwarf Pittler

auf Grundlage seiner Drehbank mit pneumatischer Wange, eine Maschine mit doppelt schwingender Laufunterstützung zum Herstellen von Fahrradnaben.

Die Pittler Spezialmaschine war die bis dato leistungsfähigste Maschine zum Herstellen von Fahrradnaben.

Aktiengesellschaft,Revolverdrehbank, Ableben Marthas


Da das Betriebskapital 1895 aufgebraucht war, sah sich Pittler gezwungen, die Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Als Direktor führte er die Fabrik unter dem neuen Namen „Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik, vormals W. v. Pittler“ fort.  In den Jahren 1895 und 1896 fand im Rundgang des Kristall- Palastes das Vorführen der Pittler-Drehbänke und Revolverdrehbänke statt. Für seine Maschinen erhielt er 1897 die Königlich-Sächsische Staatsmedaille auf der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung. 1897 übernahmder Angestellte Schubert die Leitung des technischen Büros, um die Pittler-Revolverdrehbank weiter zu vervollkommnen. Im gleichen Jahr verlor Pittlerseine Frau Martha. Sie war schon seit Ende 1896 krank, was ihr fehlte, blieb ungeklärt. Nach ihrem Tod lebte er aber nicht allzu lange allein. 1898 heiratete er Käthe Ludwig, trotz des großen Altersunterschiedes und eines finanziellen Engpasses. Seine eigenen Töchter waren mit der Heirat nicht einverstanden und zogen sich von ihm zurück.


Pittlerwerke in Wahren, Tod in London und Erster Weltkrieg


Da die Arbeitsfläche in der Fabrik nicht ausreichte, beschloss Pittler 1897 in Wahren bei Leipzig ein Grundstück zu erwerben und dort eine neue Fabrik zu

errichten. Pittler selbst zog nach den beruflichen Erfolgen mit seinem hydraulischen Antrieb für Automobilen in Hamburg und Berlin nach London.

Dort hatte er die Gesellschaft „The International Rotary MachineCompany“ gegründet. Pittler wollte in London Zigarren herstellen, weshalb ihm Angestellte

aus Leipzig die kleine Zigarrenpresse, die er selbst angefertigt hatte, nach sandten. Diese traf zu spät ein, denn infolge seines Magenleidens brach Pittler,

im Beisein seines Sohnes Bruno, am 22. September 1910 beim Treppensteigen zusammenund starb noch am gleichen Tage.  Er hinterließ kein Vermögen.

Englische Ingenieure, die Pittler hoch schätzten, haben die Überführung seiner Leiche nach Deutschland finanziert. Er liegt neben seiner ersten Frau Martha

aufdem Friedhof in Leipzig-Gohlis begraben.


Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden von 836 Mann der Leipziger Belegschaft 226 zum Militärdienst eingezogen. Die Zahl erhöhte sich

bis Mitte Oktober auf 410. Mit einem nur noch auf die Hälfte verminderten Stamm von Facharbeitern mussten die größeren Aufgaben, die an sie während

des Kriegs gestellt wurden, gelöst werden.  Die Pittler-Revolverdrehbank war zur Herstellungvon Waffen-, Zünder- und Geschossteilen hervorragend geeignet.

Hilfskräfteund Frauen wurden zur Arbeit hinzugezogen. Mengenmäßig musste die Fabrik sich nicht nur auf derselben Höhe wie zuvor halten, sondern diese im

Laufeder Kriegsjahre noch deutlich steigern. 1915 zeigt der Geschäftsbericht eine Steigerung der Auslieferung um 60%. Dies bedeutete, dass der Umsatz

des Jahres der Höchste war, seit dem Bestehen der Fabrik. Insbesondere mit dem Hindenburg-Programm, ein Rüstungs- und Wirtschaftsprogramm aus dem Jahre 1916 und der Dauer des Krieges wurden die Anforderungen immer höher. Daher erfolgte ein Erweiterungsbau, welcher 1917 bezogen wurde.

Das Wahrzeichen und Inflationsjahre


Das Wahrzeichen der Firma Pittler, welches das große P mit einem Querbalken ist, entstand während des Ersten Weltkrieges. Am 15. November 1918 wurde

es im Reichspatentamt eingetragen. Dieses Wahrzeichen kennzeichnet heute noch Erzeugnisse und Drucksachen der Pittler Werkzeugmaschinenfabrik. Die

ersten Jahre nach diesem Krieg standen im Zeichen der Inflation. So treffend im Geschäftsbericht von 1919 verzeichnet:


„Der übermäßigen Besteuerung der Unternehmen stehen entsprechende Mehrleistungender Betriebe gegenüber. Dies ist bei uns nicht der Fall, denn die

Erzeugung im abgelaufenen Geschäftsjahr ist, gegenüber dem letzten Friedensjahr, um die Hälfte zurückgegangen. Das Verhältnis: Wertsteigerung

aufallen Gebieten einerseits und Leistungsverminderung andererseits, muss zum Verfall unseres Wirtschaftslebens führen… Wollen wir wieder zur

Besserung unserer Wirtschaftslage kommen, so kann dies nicht durch schematische Heraufsetzung von Gehältern und Löhnen oder durch Erhöhung

der Verkaufspreise geschehen, sondern allein durch größere Leistungsfähigkeit der Betriebe, die eine Bezahlung unserer Auslandsbezüge in Waren ermöglicht.“


Der verhältnismäßig flotte Geschäftsgang in den folgenden Jahren, basierte tatsächlichnur auf einem, durch Inflation entstandenem, Ausverkauf.  Die

Namensänderung  des Unternehmens fiel ebenfalls in die Zeit nach dem Krieg.  Ab dem 25. März 1922 besteht der auch heute noch verwendete Name „Pittler

Werkzeugmaschinenfabrik Aktiengesellschaft“. Mit der Stabilisierung der Mark begann eine Zeit intentionaler Weiterentwicklung. Den Anfang machten 1924

die Form- und Schraubenautomaten, 1925 folgten die Revolverdrehbänke. Im Jahre 1928 wurde beschlossen, den Zusammenbau der Revolverdrehbänke

und Spindelkästen fortan mit der Fließbandarbeit zu bewerkstelligen. Es folgten jene Jahre, welche die gesamte deutsche Wirtschaft an den Rand des

Abgrundes brachten.

Hitlerund der Wirtschaftsaufschwung


Ab 1930 versiegten die Inlandsaufträge fast vollständig und Auslandsaufträge gab es auch kaum. Die Belegschaft sank innerhalb von vier Jahren von 1132

auf 559 Mann. Der wirtschaftliche Wiederaufstieg Deutschlands und somit auch eine Beschäftigungssteigerung bei der Pittler Werkzeugmaschinenfabrik

begann durch die Machtergreifung Hitlers’ 1933. Öffentliche Maßnahmen, welche für die Pittler Werkzeugmaschinenfabrik besondere Bedeutung hatten,

brachtenden gesamten ins Stocken gebrachten Wirtschaftskreislauf wieder in Schwung. Das Personal wurde um 50% aufgestockt, damit schneller und

effizienter Drehmaschinen für die Kriegsmaschinenproduktion hergestellt werden konnten. Außerdem hatte die damalige Reichsleitung der Abteilung

Waffenproduktionin der SS die Pittlerwerke angewiesen, statt den regulären 25.000 Drehbänken nun 58.000 zu produzieren. Die Pittlerwerke stockten

daraufhin das Personal um 6.800 Mann auf, wovon allein 910 Zwangsarbeiter waren. Der gesamte Maschinenpark Pittlers wurde ständig durch Anschaffung

neuerer und moderner Maschinen verbessert. Insgesamt 493 Maschinen für 3,334.000.-RM wurden von 1933 bis 1939 in Betrieb genommen.

Zweiter Weltkrieg und Exportverlust


Im fünfzigsten Jahre ihres Daseins, 1939, konnte die Firma Pittler mit Stolz feststellen, dass Wachstum und Aufblühen des Unternehmens keinesfalls

abgeschlossen sind und dass der Firma immer neue Gebiete erschlossen werden. Das Unternehmen war sich ziemlich sicher, dass das Wachsen der

Firma einzig und allein Adolf Hitler zu verdanken sei. Der Übergang zur Kriegswirtschaft geschah ohne großes Aufsehen und verlief reibungslos.


Der Zweite Weltkrieg führte jedoch zu Exportverlusten. Ab 1941 folgte ein Produktionsrückgang für die Werkzeugmaschinen, da nur noch Bewaffnungen

und Munition benötigt wurden. Beschaffungsämter stellten immer höhere Forderungenan die Werke. Es wurde zusehends schwieriger, genügend

Fachkräfte vom Wehrdienst zurückzustellen. Eine entscheidende Bedeutung im Werkzeugmaschinenbau! 1943 erfolgte der erste große Luftangriff auf Leipzig,

das Zentrum der Stadt wurde schwer getroffen. Wahren, der Bahnhof und das Werk selbst blieben jedoch zunächst verschont. Am 10. April 1945 wurde

letztlich auch das Pittlerwerk von Bomben getroffen. Eine trifft genau die Halle mit den Großmaschinen und eine weitere reißt die vordere Ecke des

Verwaltungsgebäudes an der Pittlerstraße ein. Menschen wurden hierbei nicht verletzt. Mit Verlusten von 30% ist das Pittlerwerk davongekommen.


Abwanderungund Erfolgsjahre in der DDR


Das Werk wurde von polnischen und russischen Gastarbeitern nach Ende des Zweiten Weltkrieges geplündert, nachdem die Amerikanischen

Besatzungstruppen es freigaben. Wilhelm Fehse, der Leiter des Unternehmens, protestierte bei der Militärregierung gegen die Plünderung und bat um eine

dauerhafte Wache für das gesamte Gelände. Damit hatte er Erfolg. Die Alliierten waren zu dieser Zeit bereits eh mit der bedingungslosen Kapitulation

beschäftigt. Am 20. Juni 1945 erschien in Fehses Büro ein amerikanischer Leutnant und forderte den Organisationsplan des gesamten Unternehmens, da

Leipzig bald zur russischen Besatzungszone gehören würde. Anschließend wurden die wichtigsten Mitarbeiter der Pittler AG mit ihren Familien in den

westlichen, amerikanischen Teil Deutschlands gebracht. Insgesamt 150 Personen machten sich auf den Weg gen Westen. Nach der Umsiedlung in den

Taunus gründeten der damalige, stellvertretende Werksleiter und zwei Ingenieurezusammen das Ingenieur- und Verkaufsbüro: „Nassovia Pittler

Dienst“ und starteten die Wiederaufnahme der Tätigkeiten durch Reparaturarbeiten. Die Firmierung lautete schlussendlich: Pittler Maschinenfabrik

Aktiengesellschaft.


Von 1952 bis 1972 schaffte es das nun westdeutsche Unternehmen seine Weltgeltung wiederzuerhalten, die Arbeiterzahlen mehr als zu verfünffachen

und einen höheren Umsatz zu erzielen. Am 31. Dezember 1953 setzte sich die Erfolgsgeschichte in Leipzig fort: der Betrieb wird dem dafür zuständigen

Ministerium der DDR übergeben und ist vorerst unter dem Namen „VEB Wissenschaftlich-TechnischesBüro für Werkzeugmaschinen“, kurz VEB WTB

bekannt, später dann als VEB CENTEX Leipzig. 1956 entsteht eine Zusammenarbeitmit dem „VEB Drehmaschinenwerk“.


Mit Gründung der Kombinate wird das Drehmaschinenwerk 1969 in das Werkzeugmaschinenkombinat 7 . Oktober Berlin eingegliedert. Noch im selben

Jahr wurde das für die DDR Wirtschaft, sowie das DREMA wichtige Drehautomatenzentrum, kurz DAMZ, durch Schumann, dem 1. Sekretär der

Kammerfür Wirtschaft, gegründet. Die Produktion wird im Rahmen staatlich verordneter Spezialisierungsmaßnahmen auf die Herstellung von

Mehrspindelautomaten umgestellt und die Produktion von Revolverdrehmaschinen auf andere Firmen verlagert. Fortan erhielt das DREMA Leipzig,

sowie deren Patenbetriebe zahlreiche Aufträge aus der ganzen Welt. Die Drehautomaten der DDR errangen Weltruhm in Ländern wie Kuba, Ägypten,

Südafrika, USA, Kanada und Skandinavien, wohin man sie verkaufte. In den ersten fünf Geschäftsjahren konnte die DDR Staatsbank einen Gewinn von

124.000.000,00 Mark verbuchen. In den Folgejahren, bis zur Deutsch- Deutschen Einheit, hat die DDR nach offiziellen Angaben über 120.000

Mehrspindelautomaten exportiert.

Nachwendejahre


Nachder Wende versuchte man das Werk in Leipzig zu sanieren und durch Privatisierung als „Pittler-Tornos Werkzeugmaschinen GmbH“ zu sichern. Der

Erfolg blieb jedoch aus und das Unternehmen meldete 1997 Konkurs an. Das endgültige Aus für den Namen Pittler in Leipzig, in Kombination zum

Maschinenbau, einem großen Kapitel der sächsischen Werkzeugmaschinentradition wurde somit besiegelt.


Während die meisten ehemaligen Hallen, Fabriken und Produktionsstätten im Laufeder letzten Jahrzehnte zu modernen Lofts, Büros und Supermärkten

umgestaltet wurden, verfielen indes ebenso viele. Der Mangel an Investoren ließ die Zukunft ungewiss erscheinen und ungeachtet der Zeit erstreckten sich

ganze Ruinenlandschaften in mehreren Stadtteilen Leipzigs. Hinzu kamen Vorurteile in der Bevölkerung: Fabriken galten oftmals als dreckig und baufällig,

die in den Hallen verrichtete Tätigkeit war nicht selten geprägt vonschwerer, körperlicher Arbeit. Kaum einer, der in einer solchen Halle gearbeitet hat,

erinnert sich mit Wohlwollen daran zurück. Obgleich sich Leipzig-Plagwitz zu einer Kulturhochburg inmitten alter Industriebauten entwickelt hat, ist es in

Wahren, wo die Pittlerwerke ihren Sitz haben, zwischen etlichen Altbauten und einigenneu gebauten Eigenheimen verhältnismäßig ruhig. Lediglich das

ortsansässige Haus Auensee mit dem namensgebenden Auensee bringt den Anwohnern Abwechslung und Zerstreuung. In einem der ältesten und

mittlerweile grünsten Stadtteile Leipzigs fährt im Sommer die Parkeisenbahn. Parthe, Weiße Elster und Neue Luppe laden zu Spaziergängen ein. Jedoch

fehlte es an individueller Kultur und Szene zu erschwinglichen Preisen. Die Halle Heinrich der Leipziger Pittlerwerke in Wahren wurde bereits in den1990er

Jahren als herkömmliche Werkshalle geschlossen, das Gros der darin Beschäftigtenging in Rente oder wechselte in andere Betriebe. Ab 1998 wurde

die Halle Heinrich privat für Produktion und Reparatur von Kleinstteilen genutzt, ehe sie nur noch als Lagerraum diente. Knapp 800 m² Fläche, in denen der

Charme einer vergangenen Epoche nach wie vor erkennbar und die dem Verfall nicht gänzlich überlassen ist.


Der temporäre Trend des Industrie-Chic, das Mondäne des Steampunks schlummerte in jedem Winkel der Halle und wartete förmlich nur darauf, aus

seinem Dornröschenschlaf wach geküsst zu werden. Wogegen andernorts Werkshallen für illegale Veranstaltungen und einmalige Events genutzt werden,

wollte man die Halle Heinrich zu einem Ort der Begegnung errichten, welcher von Dauer ist. Die Begeisterung für die Erfindungen Pittlers sollten wie ein

Feuer in neuem Gewand entfacht werden. Findige Köpfe mit dem erforderlichen handwerklichen Geschick, dem Know How von Firmengründern und den

notwendigen Kontakten in vielerlei Branchen nahmen sich 2019 der Halle Heinrich an und ließen eine Kulturstätte entstehen, die ihresgleichen in Leipzig

sucht. Ein innovatives Museum mit Angeboten aus Kunst und Kultur für ein Publikum, welches Industriebauten völlig anders wahrnimmt, war geboren.

Die Halle Heinrich im Pittlerwerk


Meine Generation und die Generation meiner Eltern sind die vorrangige Zielgruppe von Gästen des Pittler Halle Heinrich. Was als waghalsiges

Experiment startete und schwierig zu sein schien, sollte sich nun als gelungen herausstellen: Das gesamte Ambiente fasziniert das jüngere Publikum derartig,

sodass die Werbung dafür praktisch von allein läuft. Ortsansässige Bürger entdecken die Kulturstätte beim sonntäglichen Bummel, Plakate für

bevorstehende Anlässe finden sich an den unterschiedlichsten Stellen in ganz Leipzig. Freunde und Bekannte sämtlicher Angestellter und Darsteller erzählen

ihren Freunden und Bekannten davon, Printmedien annoncieren alle Veranstaltungen. Sämtliche nennenswerte soziale Netzwerke wie Facebook,

Instagramund Co. veröffentlichen Termine tagesaktuell.


Von nun an sollte regelmäßig ein breit gefächertes Angebot von Kunst und Kultur in den liebevoll restaurierten und modernisierten Räumlichkeiten der Halle Heinrich aufgeführt werden. Gäste entdecken dabei vermehrt, dass sie sichin einem Museum befinden, was ihnen zuvor nicht bewusst war. Das

Interesse an der Industriekultur entwickelt sich somit überdurchschnittlich und dieHalle hat hier viel zu bieten. Sie selbst hat sich ein Alleinstellungsmerkmal

geschaffen. Der Aufmerksamkeit zugute kam der Pandemie bedingte Teillockdown, welche die Gier nach Unterhaltung in der Bevölkerung anheizte.

Veranstaltungen waren und sind wiederholt ausverkauft, die Nachfrage steigt stetig. Das Publikum ist bereit, viele Widrigkeiten (2G, 3G) in Kauf zunehmen

und saugt Informationen rund um das Zeitalter der Industrierevolution förmlich ganz nebenbei in sich auf. Das ausschließlich positive Feedback bestätigt, dass

es möglich ist, Kunst und Industrie zu vereinen.


Aus Alt mach’ Neu ist in der Halle Heinrich rundum gelungen. Wilhelm von Pittlers Werkshallen waren dafür ausgelegt, Drehbänke herzustellen, darin oder

gar davor Theater zu spielen erscheint im ersten Moment abwegig. Die Architektur wirkt brachial, jedoch wird mittels Licht und Ton ein teilweise

verspielter Anblick geboten, welcher sich harmonisch ins Bühnenbild einfügt. Während in den Innenräumen zumeist die sogenannte Guckkastenbühne, bei

dem der Zuschauer gerade aus nach vorn schaut, zur Anwendung kommt, kann in der wärmeren Jahreszeit auch die Hofbühne genutzt werden. Akteuren ist es

gestattet, Feuerleitern, Bäume und das Außengelände ins Bühnenbild und Geschehen einzubeziehen, die jeweilige Aufführung findet ebenerdig statt. Ein

Podest oder extra gefertigte Bühne ist vor der Pittler Halle Heinrich selten oder garnicht notwendig: Der Blick des Gastes kann in alle Richtungen schweifen.


Auf Grund der brillanten Lage, inmitten zahlreicher anderer Hallen, hält sich die Lärmbelästigung bei Außenveranstaltungen zudem stark in Grenzen. Und so

kann zu Geburtstagen oder anderen speziellen Anlässen auch das eine oder andere Feuerwerk gezündet werden. Die Stadt Leipzig zeigt sich hinsichtlich

der Genehmigungen dafür großzügig. Auch hier wurde das Potential dieser Kulturstätte längst erkannt: Es ist das einzige Museum und die einzige

Spielstätte ihrer Art in Leipzig, in dem der Verzehr von Speisen und Getränken genehmigt ist. Man buhlt darum, diese Kulturstätte in das Register der staatlich

geförderten Lokalitäten aufnehmen zu dürfen. Momentan wird die Halle Heinrich jedoch privat geführt.


 Die Begeisterung für klassische Tragödien, über Improvisation, Kindertheater oder Kleinkunst ist in Leipzig ungebrochen. Dem kann in der Halle Heinrich gerecht werden. Musicals oder Figurentheater werden folgen. Das Theaterstück ‚Pittler und die Endlosenergiemaschine‘wurde jüngst von dem bekannten Autor Christian von

Aster,  in Zusammenarbeit mit den Eigentümern der Halle Heinrich, geschrieben und uraufgeführt. Vielfältig hat sich das Bild und Dasein der Halle Heinrich

nun mehr geändert: Wo früher Unrat und Produktionsabfälle lagen, werden heute zeitweilig Gemälde ausgestellt. Wo Arbeiter schwitzten, finden kleine

Modeschauen aufstrebender Künstler statt. Und wo hastig Pausenbrote verschlungen wurden, bietet man inzwischen Haute Cuisine beim Dinner-

Theater an. Das Spektrum ist wandel- und erweiterbar, Hochzeitsfeiern keine Ausnahme. Die bereits erwähnte Steampunkszene hält themenbezogene

Veranstaltungen ab. Ein nicht ganz uninteressanter Aspekt ist, dass ehemalige Angestellte auf ihren früheren Spuren wandeln können: Bei Firmenfeiern in der

Halle Heinrich schwelgt man nostalgisch in Erinnerung und lässt die Vergangenheit Revue passieren.


Schlussfolgerung


In meiner Einleitung stellte ich Fragen, ob es Pittlers Erfindungen geschafft haben, wichtig für die weltweite Industrialisierung zu werden und ob seine

Erfindungen überhaupt noch relevant sind. Welche Verwendung hat man für die jetzige Nutzung seiner Werkshallen in Leipzig? Schafften es Pittlers Ideen eine

komplette Stadt oder gar ganz Deutschland umzukrempeln?


Zusammenfassend kann man sagen, dass ein durch aus beachtliches Interesse am Zeitalter der industriellen Revolution und Produktion in Leipzig nach wie vor

weiter besteht und beibehalten wird. Wenn gleich in der Pittler Halle Heinrich in Leipzig keine Revolverdrehbänke oder ähnliches mehr hergestellt werden,

sondern eine zweckentfremdete Nutzung stattfindet, ist klar zu erkennen, dass das Leben und die Arbeit der längst vergangenen Ära auch künftig Faszination

auf den Gast ausüben. Gelegenheit zur Veranschaulichung, zum Eintauchen in die Geschichte des Industriezeitalters bieten in absehbarer Zeit Workshops,

Vorträge und Schulungen vor Ort.


Sehr klar ist, dass Pittlers Erfindungen selbst und die dazugehörigen Patentanmeldungen die Industrie weltweit geprägt und gefördert haben.

Ingenieure bemühen sich nun um die Weiterentwicklung der Maschinen. Nachhaltigkeit und Umweltschutz, die Inanspruchnahme erneuerbarer

Energien sind hierbei die Schlagwörter. Maschinen, wie beispielsweise Fördersegmente des Brunnenbaus oder Zylinderköpfe für Rennboote werden

so konzipiert, dass sie schnell und relativ kostengünstig umrüstbar sind. Der Ursprung dieser Maschinen liegt in Pittlers Erfindungen. Man steht endlich in

der Verantwortung für die Gesundheit seiner Angestellten: gefährliche oder gar tödlicheBerufe, wie der des Riemenwerfers, sind nicht mehr existent.


Julius Wilhelm von Pittler, ein Erfinder, der Pionierarbeit für die Industrie auf der ganzen Welt geleistet hat, schrieb in Leipzig bedeutende Geschichte. Eine

Geschichte, die einem jeden von uns bereits mehrfach und oftmals unbewusst im Alltag begegnet und nicht mehr wegzudenken ist.

Die Autorin der Facharbeit 

Das Ganze ist ein kleiner Auszug aus einer Facharbeit zum Thema Pittler und sein Leben, wir haben mit der Autorin gesprochen und sind sehr glücklich, dass wir einen kleinen
Teil der Facharbeit hier veröffentlichen dürfen.


Sollten Sie Fragenhaben, können Sie sehr gerne
an unsere E-Mail schreiben und wir geben die Fragen an die Autorin weiter.